Dritte Vorlage: Kündigung wegen Eigenbedarfs Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) Das Obligationenrecht sieht vor, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von vermieteten Wohnungen oder Geschäftsräumen diese rasch selbst nutzen können. Dieser sogenannte Eigenbedarf spielt insbesondere in drei Fällen eine Rolle: Erstens darf, wer eine Immobilie kauft, den Mieterinnen und Mietern mit der gesetzlichen Frist von drei Monaten bei Wohnungen und von sechs Monaten bei Geschäftsräumen kündigen – auch wenn der bestehende Mietvertrag eine längere Kündigungsfrist vorsieht. Zweitens dürfen Eigentümerinnen und Eigentümer bei Eigenbedarf auch während der dreijährigen Sperrfrist kündigen, die nach einem Rechtsstreit mit der Mieterschaft gelten kann. Drittens spielt der Eigenbedarf im Zusammenhang mit der sogenannten Mieterstreckung bei Härtefällen eine Rolle. Diese ermöglicht es Mieterinnen und Mietern, nach einer Kündigung länger in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen zu bleiben. Ausgangslage Heute ist die Voraussetzung für den Eigenbedarf streng: Er muss dringend sein. Mit der neuen Regelung genügt es, wenn der Eigenbedarf bedeutend und aktuell ist. Die Eigentümerin oder der Eigentümer kann das besser nachweisen und deshalb einfacher kündigen. Zudem führt die neue Regelung zu kürzeren Mieterstreckungen. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen, darum kommt es zur Abstimmung. Die Vorlage In Kürze Vorlage im Detail 34 Argumente 38 Abstimmungstext 42 9 Nein Das Referendumskomitee macht geltend, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs heute schon möglich sei. Die neue Regelung diene in Wirklichkeit dazu, den Mieterinnen und Mietern leichter kündigen zu können und danach die Mieten noch stärker zu erhöhen. Das sei Teil eines grossen Angriffs auf den Mieterschutz. mietrechts-angriff-nein.ch Wollen Sie die Änderung vom 29. September 2023 des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) annehmen? Abstimmungsfrage Ja Der Schutz des Eigentums ist für Bundesrat und Parlament ein wichtiger Wert. Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnungen oder Geschäftsräumen sollen diese bei Bedarf rasch selbst nutzen können. Mit der Vorlage wird es einfacher, Eigenbedarf geltend zu machen. Dies kann die oft langen Rechtsverfahren verkürzen. admin.ch/kuendigung-eigenbedarf Empfehlung von Bundesrat und Parlament Empfehlung des Referendumskomitees Abstimmung im Nationalrat Abstimmung im Ständerat 123 Ja 72 Nein 1 Enthaltung 33 Ja 11 Nein 0 Enthaltungen" Im Detail Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) Argumente Referendumskomitee 38 Argumente Bundesrat und Parlament 40 Abstimmungstext 42 35 Die Bundesverfassung schützt das Eigentum. Das wirkt sich auch auf das Mietrecht aus. Eigentümerinnen und Eigentümer sollen vermietete Wohnungen oder Geschäftsräume rasch selbst nutzen können. Sie können dafür einen sogenannten dringenden Eigenbedarf für sich, für nahe Verwandte oder für verschwägerte Personen geltend machen. Es ist aber oft schwierig, die Dringlichkeit des Eigenbedarfs nachzuweisen. Dies kann zu langen Rechtsverfahren führen, die die Nutzung der eigenen Räume verzögern. Darum will das Parlament das Gesetz anpassen. Ursprünglich war der Bundesrat der Meinung, dass eine Gesetzesänderung nicht angezeigt ist. Damit Eigentümerinnen und Eigentümer den Eigenbedarf einfacher und schneller geltend machen können, werden mit der Vorlage die Voraussetzungen dafür geändert. Neu genügt es, wenn ein bedeutender und aktueller Eigenbedarf gegeben ist. Das kann die Eigentümerin oder der Eigentümer leichter nachweisen. Die vorgeschlagene Vereinfachung beim Eigenbedarf spielt in drei Fällen eine Rolle: Während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens darf die Eigentümerin oder der Eigentümer nicht kündigen. Das Gleiche gilt während drei Jahren nach einem Verfahren, bei dem eine Einigung erzielt wurde oder die Eigentümerin oder der Eigentümer unterlegen ist. Wenn die Eigentümerin oder der Eigentümer Eigenbedarf geltend machen kann, entfällt dieser Kündigungsschutz jedoch. Das wird mit der vorgeschlagenen Vereinfachung künftig häufiger der Fall sein. Ausgangslage Vereinfachung Folgen in drei Fällen: Kündigungsschutz bei Rechtsstreit 36 Dritte Vorlage: Kündigung wegen Eigenbedarfs Wenn die Kündigung einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes für die Mieterinnen und Mieter eine Härte bedeutet, können sie bei der Schlichtungsbehörde eine sogenannte Mieterstreckung beantragen. Kommt es dabei zu keiner Einigung, so entscheidet bei einer Klage das zuständige Gericht darüber, ob die Mieterinnen und Mieter über den Kündigungstermin hinaus in den Räumen bleiben dürfen. Es berücksichtigt dabei auf Seiten der Eigentümerin oder des Eigentümers heute unter anderem den Eigenbedarf und dessen Dringlichkeit. Neu muss das Gericht beim Eigenbedarf dessen Bedeutung und Aktualität beurteilen. Das kann dazu führen, dass es künftig häufiger eine kürzere oder gar keine Mieterstreckung gewährt. Wer eine Immobilie kauft, darf bei Eigenbedarf bereits heute auf einen gesetzlichen Termin und mit der gesetzlichen Frist kündigen. Diese Kündigungsfrist beträgt bei Mietwohnungen drei Monate und bei Geschäftsräumen sowie bei Pachtverträgen sechs Monate. Eine solche Kündigung ist auch dann möglich, wenn der bestehende Mietvertrag eine längere Kündigungsfrist oder einen späteren Kündigungstermin vorsieht. Wenn die Regeln für den Eigenbedarf wie vorgeschlagen gelockert werden, können Käuferinnen und Käufer diese Möglichkeit häufiger nutzen. Wenn die Käuferin oder der Käufer wegen Eigenbedarfs kündigt, müssen die Mieterinnen und Mieter die Wohnung oder den Geschäftsraum früher verlassen. Entsteht ihnen dadurch ein finanzieller Schaden, so muss die bisherige Vermieterin oder der bisherige Vermieter dafür aufkommen. An diesem Anspruch auf Schadenersatz ändert die Vorlage nichts. Mieterstreckung Eigentumswechsel Mieterschutz gilt weiterhin 37 1 Entwurf-DE Mietrechtsrevision – Eigenbedarf Eigentümerin / Eigentümer Eigentümerin / Eigentümer Die drei Fälle, in denen die Anpassung beim Eigenbedarf eine Rolle spielt Fall 2: Kündigung bei Rechtsstreit Die Eigentümerin oder der Eigentümer kann auch dann kündigen, wenn ein Rechtsstreit mit der Mieterin oder dem Mieter noch nicht geklärt ist oder weniger als drei Jahre zurückliegt. Fall 3: Mieterstreckung Mieterinnen oder Mieter können in Härtefällen beantragen, dass das Mietverhältnis über den Kündigungstermin hinaus verlängert wird. Bei der Beurteilung eines solchen Mieterstreckungsgesuchs ist der Eigenbedarf zu berücksichtigen. neue Eigentümerin / neuer Eigentümer ehemalige Eigentümerin / ehemaliger Eigentümer Mieterin / Mieter Mieterin / Mieter Mieterin / Mieter Fall 1: Eigentumswechsel Die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer kann auch dann innerhalb der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn im bisherigen Mietvertrag etwas anderes steht. 38 Dritte Vorlage: Kündigung wegen Eigenbedarfs Argumente Referendumskomitee Unter dem Vorwand des Eigenbedarfs wird der Kündigungsschutz geschwächt. Diese Vorlage ist zusammen mit jener zur Untermiete Teil eines grossen Angriffs auf den Mieterschutz. Die mächtige Immobilien-Lobby will Mietenden einfacher kündigen können, um danach die Mieten noch stärker zu erhöhen. Aber die Folgen einer Wohnungskündigung sind schlimm: Ältere Menschen werden aus ihrem Umfeld gerissen, Familien verlieren ihr Zuhause. Deshalb: Nein zu dieser ungerechten Vorlage. Die Schwächung des Kündigungsschutzes ist ungerechtfertigt. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist schon heute möglich. Wer eine Wohnung vermietet und diese selbst oder für nahe Verwandte nutzen möchte, kann den Mieterinnen und Mietern unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen. Dazu braucht es kein neues Gesetz. Die Schwächung dieses Kündigungsschutzes ist rücksichtslos. Familien, ältere Menschen oder einkommensschwächere Personen, für die eine Kündigung besonders schlimm ist, sind künftig noch weniger geschützt, auch wenn der Eigenbedarf der Vermieterschaft nicht dringend ist. Die Schwächung des Kündigungsschutzes ist unredlich. Schon heute wird der Eigenbedarf vorgeschoben, um einfacher zu kündigen. Das wahre Motiv: Bisherige Mieterinnen und Mieter loswerden und anschliessend die Wohnung teurer neu vermieten. Solche Missbräuche werden durch diese Vorlage vereinfacht und begünstigt. Die Schwächung des Kündigungsschutzes greift tief ins Sicherheitsbedürfnis der Mietenden ein. Der Verlust der eigenen Wohnung ist traumatisch. Nicht nur wird man aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen, auch ist es vielerorts schwierig bis unmöglich, gleichwertigen und bezahlbaren Ersatz zu finden. Eigenbedarf schon heute möglich Abbau des Mieterschutzes Vorwand für Mietzinserhöhung Es droht der Verlust der Wohnung 39 Der Text auf dieser Doppelseite stammt vom Referendumskomitee. Es ist für den Inhalt und die Wortwahl verantwortlich. Die Schwächung des Kündigungsschutzes ist ungerecht. Die Rechte der Mieterinnen und Mieter werden schon heute zu wenig respektiert. Die Vermietenden sind am längeren Hebel. Die Vorlage verschiebt das Ungleichgewicht noch stärker zu Lasten der Mietenden. Die Schwächung des Kündigungsschutzes kommt im schlimmsten Moment. 2023 sind die Mieten um bis zu 10 Prozent gestiegen. In dieser Lage braucht es nicht noch mehr Macht und Profite für die Immobilien-Lobby. Die Schwächung des Kündigungsschutzes ist erst der Anfang. Die Immobilien-Lobby im Parlament hat längst weitere Angriffe auf die Mieterinnen und Mieter aufgegleist. Als nächstes sollen Mieten einfacher erhöht werden können. Darum empfiehlt das Referendumskomitee: Nein mietrechts-angriff-nein.ch Mietrecht bevorzugt Vermieter Mietzinse explodieren Salamitaktik der Immobilien-Lobby Empfehlung des Referendumskomitees 40 Dritte Vorlage: Kündigung wegen Eigenbedarfs Argumente Bundesrat und Parlament Eigentümerinnen und Eigentümer sollen eine vermietete Wohnung rasch selbst bewohnen oder ein vermietetes Geschäftslokal rasch selbst nutzen können. Dies gilt insbesondere nach dem Kauf einer Liegenschaft. Weil aber Mieterinnen und Mieter die Kündigung anfechten und dabei geltend machen können, dass der Eigenbedarf nicht dringend sei, kann es zu langen Rechtsverfahren kommen. Aus diesem Grund soll das Gesetz so angepasst werden, dass ein vermietetes Wohnoder Geschäftsobjekt schneller selbst genutzt werden kann. Bundesrat und Parlament befürworten die Vorlage insbesondere aus folgenden Gründen: Die Bundesverfassung schützt das Eigentum. Trotzdem können viele Eigentümerinnen und Eigentümer ihre Räume über Monate oder gar Jahre nicht beziehen, wenn sie Eigenbedarf haben. Dies beispielsweise, wenn Mieterinnen oder Mieter eine Kündigung anfechten, indem sie die Dringlichkeit des Eigenbedarfs bestreiten. Die neue Regelung lockert die Voraussetzung für den Eigenbedarf. Dadurch können Eigentümerinnen und Eigentümer ihre Räume einfacher und schneller nutzen. Die Interessen der Mieterinnen und Mieter sind weiterhin geschützt: Wenn die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer früher kündigt, als es der bestehende Vertrag gestattet hätte, so haftet die bisherige Vermieterin oder der bisherige Vermieter. Sie oder er muss der Mieterin oder dem Mieter den Schaden ersetzen, der durch die frühere Kündigung entsteht. Dieser Anspruch bleibt unverändert bestehen. Das relativiert die Auswirkungen der Vorlage auf die Mieterinnen und Mieter. In Härtefällen wird beurteilt, ob die Mieterin oder der Mieter über den Kündigungstermin hinaus bleiben darf. Die Schlichtungsbehörde oder das Gericht muss abwägen zwischen der Härte für die Mieterin oder den Mieter und den Interessen der Eigentümerin oder des Eigentümers. Dabei wird der Eigenbedarf künftig stärker berücksichtigt werden. Das Gericht kann das Mietverhältnis aber weiterhin erstrecken, um die negativen Folgen der Kündigung für die Mieterin oder den Mieter zu mildern. Eigene Räume rasch nutzen Anspruch auf Schadenersatz Mieterstreckung bleibt möglich 41 Auch an den Verfahrensrechten von Mieterinnen und Mietern ändert die Vorlage nichts. Die Mieterinnen und Mieter können eine Kündigung wegen Eigenbedarfs weiterhin anfechten und sich gegen einen nachteiligen Entscheid unverändert wehren. Aus all diesen Gründen empfehlen Bundesrat und Parlament, die Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) anzunehmen. Ja admin.ch/kuendigung-eigenbedarf Abstimmungstext Obligationenrecht (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) Änderung vom 29. September 2023 Abstimmungstext Obligationenrecht (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) Änderung vom 29. September 2023 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 20221 und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 20222, beschliesst: I Das Obligationenrecht3 wird wie folgt geändert: Art. 261 Abs. 2 Bst. a 2 Der neue Eigentümer kann jedoch: a. bei Wohn- und Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht; Art. 271a Abs. 3 Bst. a 3 Absatz 1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen: a. wegen bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte; Art. 272 Abs. 2 Bst. d 2 Bei der Interessenabwägung berücksichtigt die zuständige Behörde insbesondere: d. einen allfälligen Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die objektiv zu beurteilende Bedeutung und Aktualität dieses Bedarfs; 1 BBl 2022 2102 2 BBl 2022 2623 2 Abstimmungstext Obligationenrecht (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) Änderung vom 29. September 2023 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 20221 und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 20222, beschliesst: I Das Obligationenrecht3 wird wie folgt geändert: Art. 261 Abs. 2 Bst. a 2 Der neue Eigentümer kann jedoch: a. bei Wohn- und Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht; Art. 271a Abs. 3 Bst. a 3 Absatz 1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen: a. wegen bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte; Art. 272 Abs. 2 Bst. d 2 Bei der Interessenabwägung berücksichtigt die zuständige Behörde insbesondere: d. einen allfälligen Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die objektiv zu beurteilende Bedeutung und Aktualität dieses Bedarfs; 1 BBl 2022 2102 2 BBl 2022 2623 3 SR 220 43 Obligationenrecht (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) 3 II 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen R